Was soll ich damit anfangen? Ich lese in meinem Nord-Italien Reiseführer nach: ich will auf den höchsten und schönsten Wolkenkratzer Italiens, auf den Mole Antonelliana! Ich komme an dem Bahnhof Porta Nuova an, gehe zum Informationsbüro, ohne mit dem Gepäckaufbewahrung Zeit zu verschwänden. Am Info-Schalter erklärt mir eine geduldige Dame, wie ich dahin komme.
Vor dem Bahnhof warte ich in der Haltestelle fünf Minuten auf die Linie 61 und ich beneide die Geduld der Frau im Infobüro. Der Bus kommt endlich an, füllt sich wie eine Heringdose und in den nächsten 15 Minuten versuche ich meinen Platzangst zu beherrschen und halte meinen Rucksack fest. Endlich steige ich zu Füßen des gewaltigen Turmes aus und ich gehe gleich zum Schalter, ich bezahle die sieben Euro für den Eintritt. Ich habe zwar Hunger, aber die Neugier ist noch größer – ich gehe gleich Richtung Fahrstuhl. In dem Glaslift ist nur eine italienische Familie mit mir, ihr Säugling lächelt und hat was viel interessanteres zu träumen, als das Panorama.
In weniger als eine Minute kommen wir zur Aussichtsterrasse an, der Cristallaufzug könnte auch langsamer fahren! Von oben liegt die ganze Stadt vor meinen Füßen, mit dem Po in der Mitte, als ein brauner Haarband einer antiken Göttin. Die Kirche der Grande Madre scheint von hier kleiner als ein Hundehaus, auch die Autos sind groß wie Ameisen, die und die Menschen scheinen auch von der Erde verschwunden zu sein. Ich habe den Sinn der Zeit verloren, ich genieße den Wind auf den Gesicht und die Sicht, meine Seele füllt sich mit dem Panorama von dieser unbekannten und doch so nahen Stadt. Die Besucher wechseln sich neben mir, einige Liebespaare lassen sich von mir fotografieren und ich denke, dass ich dieses Erlebnis auch gerne mit jemandem mitteilen würde.
Leider fehlt es noch bis zum Sonnenuntergang, aber ich muss leider los. Ich komme zu schnell wieder auf die Erde zurück, in der kühlen Vorhalle, wo anstatt Sonnenschein künstliche Lichte auf dem glänzenden Boden spielen. Der Hunger ist weg, und anstatt Neugier merke ich eine komische Traurigkeit, als ob ich etwas verloren hätte: ich habe keine Lust, mich wieder auf den Weg zu machen.