Ich lief Corso Cavour entlang, bis ich zum Sitz der Agrarfakultät ankomme. Hier kapiere ich, dass der heutige botanische Garten, die zur Universität gehört, einst ein Benediktinerklostergarten war. Es ist trotzdem für alle offen, wie die normale Parkanlagen. Heute kann man sich hier entspannen, meditieren und auch vieles lernen. Aber nicht nur die lateinischen Namen der Pflanzen: der mittelalterliche Gartenbau war eine Art „Paradies auf der Erde“. Nicht wegen der Harmonie und Schönheit, sondern wegen der bewusste Architektur.
Die Pflanzen und die Stelle wo sie gepflanzt wurden haben genaue symbolische Bedeutung und Funktion. Der ganze Garten stell den Menschen in dem Universum dar und die Bäume (des Lebens) symbolisieren seit antiken Zeiten eine Verbindungsachse zwischen Erde und Himmel. Ich folge dem kleinen Pfad und lese mir alle Schildchen – eine kleine Sprachübung, denn sie nur auf italienisch geschrieben sind. Ich lerne viel über den mittelalterlichen Gnosis und Weltanschauung. Aber nicht nur. Wie ich weiterkomme sehe ich die vielen Heilpflanzen und Gewürze – die Klöster waren die ersten „Apotheken“ und Besitzer und Wächter der Heilkunst was eine große Macht in ihrer Hand war. Ich komme dann zu einem Aussichtspunkt mit fantastischem Blick auf Assisi, Monte Subasio und die monumentale Barockkathedrale Santa Maria degli Angeli.
Hier ist auch das südliche Stadttor, wodurch man in Richtung Rom die Stadt verlassen hat oder von dort ankam. Auf einem muschelförmigen Stein stehen auch die Kilometer mit römischen Ziffern bis nach Rom und nach Santiago de Compostela, die beide wichtigsten Pilgerziele in Europa. Dieser Ort ladet mich mit Energie und Frieden auf, ich bleibe bis der Wächter mir sagt, dass er den Garten für heute schließen muss. Es tut mir leid, dass meine Zeitreise enden muss und ich bleibe für den Rest des Tages unter der Wirkung dieser besonderen Atmosphäre.